Die mittelalterliche Rieter-Kirche gehört zu den kunsthistorisch wertvollsten Gotteshäusern im Landkreis Weißenburg Gunzenhausen. Sie wurde 1464 durch die Nürnberger Patrizierfamilie Rieter erbaut, die den Ort über Jahrhunderte hin, bis zum Tod des letzten männlichen Rieter im Jahr 1753 prägte. Die Kirche zeigt sich heute weitgehend im Zustand von 1613, als der kunstsinnige Hans Rieter (1564-1626) im Zuge einer umfassenden Renovierung die Kirche mit wertvollen Kunstobjekten, die im Zuge der Reformation aus anderen Kirchen des Nürnberger Umkreises entfernt wurden, regelrecht zu einem Museum ausstattete. Daher gilt die Rieter-Kirche heute als ein "Schatzkästlein Frankens"
Ein Gang durch die Kirche von Kalbensteinberg:
Die Predella zeigt den Stifter Hans Rieter mit seiner Familie vor der Kulisse des Kornburger Schlosses. In den Farben Karmin, Azurblau und Ocker leuchten hinter dem Altar die Chorfenster. Sie wurden von Andreas Rieter von Pocksberg, dem ältesten Bruder des Erbauers der Kirche, um 1480 gestiftet. Das linke Fenster soll die Familie des Stifters symbolisieren: Der hl. Andreas ist zu sehen - Andreas Rieter - weiter die hl. Veronika mit dem Schweißtuch (die erste Frau des Stifters war Veronika Rehmin von Pocksberg) und dann noch die hl. Anna (die zweite Frau Andreas Rieters war Anna Freyberg). Im Fenster rechts vom Hochaltar sind der hl. Johannes und die hl. Margareta zu erkennen. Ob dies in bezug zu dem wahrscheinlichen Stifter Hans Rieter und seiner Ehefrau Margarethe, geb. Schmidtmayer, aus Rothenburg o. d.T. gesetzt werden kann, sei dahingestellt.
Vor dem Hochaltar ist eine schwere Bronzeplatte in den Boden eingelassen. Sie deckt die Gruft ab. Neben einer Inschrift sind die Wappen der Rieter, der Kalwenberger und der Pocksberger auf der Platte zu sehen.
Die Grablege der Rieter ist heute nicht mehr zugänglich. Die Toten, die sich Mumien ähnlich - viele Jahrhunderte hindurch erhalten hatten, sind unansehnlich geworden: Zudem gebietet die Pietät, die Grabesruhe Verstorbener zu achten. Neben der Sakristeitür ist rechts oben eine Terrakotta-Figur zu sehen: Maria mit dem Kind. Von ihr erzählt die Legende, sie habe weinen können. Wir dürfen nicht vergessen, daß das Gotteshaus vor der Reformation auch eine mit Ablaßbriefen wohlversehene Wallfahrtskirche war. Wie die vielen Marienbildnisse und die alte Inschrift außen über dem Südportal zeigen, war die Kirche zur »ere Gotes und der Jungkfrawen marie« erbaut worden. Die »weinende Madonna« von Kalbensteinberg war für den Volksglauben jener Zeit eine mysteriöse Besonderheit.
Nicht weniger geheimnisvoll ist die Geschichte der 18jährigen Anna Catharina von Lindenfels, die 1710 in der Gruft beigesetzt wurde. Ihr Epitaph ist an der Nordseite des Chores zu finden.
Sehen wir uns noch etwas im Chor um, so fallen wohl die 13 Fresken auf, die rundum an die Chorwand gemalt sind. Sie stellen die Mitglieder der Familie Rieter dar, die entweder ein geistliches Amt innehatten oder in geistlichen Diensten standen. Ehrwürdige Abte, Abtissinnen und Chorherren finden wir darunter. Namen berühmter Klöster wie Andechs, Himmelkron, Ettal usw. sind zu lesen.
Das Sakramentshäuschen stammt aus der Erbauungszeit der Kirche. Auf doppeltem Podest und Pfeilerfuß sitzt das Gehäuse. Es wird abgeschlossen mit einem fialenförmigen Aufsatz mit Krabben und Maßwerkblenden im Eselsrücken. Ein schmiedeeisernes Gitter mit einfacher Durchsteckarbeit sitzt in der Mitte des Gehäuses.
Das Gotteshaus gehört zu den wertvollsten des Landkreises Weißenburg- Gunzenhausen. Die Rieter waren sehr kunstverständige Leute, vielleicht auch Mäzene der Nürnberger Künstlerschulen. Jedenfalls haben sie in ihrer Kirche zu Kalbensteinberg reiche Kunstschätze gesammelt.
Die Grundsteinlegung der heutigen Kirche erfolgte am 13. Juli 1464. Wappen und Inschrift über dem Portal zeugen dafür. Der Chor ist in gotischem Stil gehalten. Das Langhaus wird von einer flachen Holzfelderdecke abgeschlossen. Zwischen den Jahren 1609-1613 wurde das Innere der Kirche einer durchgreifenden Renovierung unterzogen. Hans Rieter war der Bauherr. Er war es auch, der die Gruft unter dem Hochaltar einwölben ließ. Um 1540 wurde die Gemeinde evangelisch-lutherisch. Jedenfalls wird der katholische Pfarrer Wolfgang Reutaler (oder Reintaler) um 1540 evangelisch.
Betritt man die Kirche, so fallen einem zunächst die reich geschnitzten, im Renaissance-Stil gehaltenen Emporen auf. Um die Abschlußwand des Chores an der Südseite schwingt sich die Herrschaftsempore, die durch einen besonderen Eingang von außen her über ein Türmchen erreicht werden kann.
Was auch noch sofort auffällt, sind die zahlreichen Wappen und Totenschilde an den Wänden des Langhauses . Der älteste Schild berichtet von Cunrat Kalwenberger (gest.1340). Über dem einfachen Schild mit dem Wappen der Kalwenberger (Kalbenberger) befindet sich ein Helm mit gegittertem Visier (Spangenhelm) aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts sowie eine Krone und das Rietersche Wappen. Zu beiden Seiten geschnitztes Rankenwerk. Der jüngste Schild ist Johann Ludwig Rieter (gest. 1732) gewidmet.
Neben dem Rieterwappen von Kalbensteinberg, Kornburg und Pocksberg finden wir u. a. die Wappen der Familien Wernitzer, von Imhof, von Seckendorf und von Eyb. Dem Heraldiker bietet die Kirche reiches Material.
Betrachten wir zunächst im Chor den Hochaltar. Er wurde 1611 im Renaissance- Stil errichtet. Die vorhandenen spätgotischen Schnitzwerke wurden neu angeordnet. Im Schrein die durch Engel bekrönte Madonna, von der Sonne bekleidet, auf der Mondsichel stehend (nach Apk. 12, 1 ff). Entstehungszeit um 1470. Darüber eine Pieta, Maria mit dem Leichnam Christi auf dem Schoß. Den oberen Abschluß bildet eine Kreuzigungsgruppe, Johannes rechts, Maria links als Assistenzfiguren, der Kruzifixus in der Mitte (um 1490).
Vor dem Sakramentshäuschen steht der »Palmesel «; auf einem Esel sitzend eine Jesusfigur mit Krone, die Rechte segnend erhoben. Diese Figur - eine gute Nürnberger Arbeit um das Jahr 1470 - ist auf Holzräder montiert und wurde bei der Palmsonntagsprozession mitgeführt. Daher der Name »Palmesel«. Diesen Palmesel hätten - so erzählt eine weitere Legende - einstens freche Räuber zu stehlen versucht. Allein die »bockbeinige« Gegenwehr des treuen Tieres habe solchen Frevel vereitelt.
Das aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammende Chorgestühl zeigt an den Wangen kunstvoll geschnitzte Groteskfigürchen (13). Die schlichte Kanzel und der Taufstein mit seinem Balusterfuß wurden 1609 errichtet. Bevor wir uns den Seitenaltären zuwenden, werfen wir noch einen Blick auf die fein gearbeitete Figur an der südlichen Seite des Triumphbogens: St. Margaretas Kampf mit dem Drachen. Sie könnte aus der Werkstatt des Veit Stoß stammen.
Zur Sakristei führt eine Spitzbogentüre mit reich profiliertem Gewände. In ihr sehen wir neben dem Sternrippengewölbe Züricher Glasgemälde (Rundscheiben) in den Fenstern, Holztafeln mit den Namen der Pfarrer und an der Wand die ehemalige linke hintere Altartafel des nördlichen Seitenaltars, St. Paulus darstellend.
Die beiden Seitenaltäre werden Michael Wohlgemut, dem Lehrer Albrecht Dürers, bzw. dessen Schule zugeschrieben. Vergleichsstudien scheinen diese Annahme zu bekräftigen.
Auf dem südlichen Seitenaltar sehen wir eine Gruppe von Figuren. Von links nach rechts: Da ist zunächst ein Ritter, auf dessen Schild das Rieter-Wappen aufgemalt ist. Dann finden wir zwei Halbfiguren: St. Petrus und Maria mit dem Kind, weiter den hl. Sebastian am Marterpfahl und Ritter Georg auf dem Pferd, mit dem Lindwurm kämpfend. Der Altar selbst zeigt im Schrein ein Bild, die Ausgießung des Heiligen Geistes, der linke Flügel St. Wolfgang, der rechte die hl. Barbara mit Kelch und Hostie. Auf dem geschlossenen Altar ist in der Mitte die Himmelfahrt Christi, links St. Ägidius und rechts St. Nikolaus zu sehen.
Der nördliche Seitenaltar ist in seiner künstlerischen Ausgestaltung wohl der wertvollere. Figuren, die den hl. Benno von Meißen (Mitte), St. Walburga (rechts) und die hl. Ursula (links) darstellen, sind im Altarschrein aufgestellt. Die Innenflügel bieten auf der linken Seite eine drastische Darstellung des bethlehemitischen Kindermordes, rechts in gekonnter Komposition und Farbgebung die Kreuzauffindung durch Kaiserin Helena. Auf der Rückseite der Altarflügel finden wir (von links nach rechts): Andreas, Johannes den Täufer, Petrus und Markus. Zu erwähnen wären noch die drei Figuren auf dem Gesims des Schreins: der hl. Oswald, St. Walburga und der hl. Otmar.
Zum Schluß verdienen noch folgende Bildwerke gewürdigt zu werden. Da ist zunächst eine Theodorus-lkone aus dem Nowgoroder Kunstkreis, zu Beginn des 16. Jahrhunderts geschaffen. Es wird angenommen, daß das Bild von einem Mitglied der Familie Rieter von einer Reise oder einer Kriegsfahrt nach Rußland oder Polen mitgebracht wurde. Wahrscheinlich war es Philipp Rieter (1566-1635). Das russische Heiligenbild behandelt das Leben und Sterben des hl. Märtyrers Theodorus des Stratelaten.
Auf zwei Bildtafeln wird in 56 Szenen das Leben von Jesus und Maria gezeigt. Es handelt sich um eine nürnbergische Arbeit um 1490, die aber auf ältere Vorbilder zurückgeht, die von Memling, Schongauer, Wohlgemut usw. stammen. Das Bild der Vierzehn Nothelfe an der Südseite des Kirchenschiffes diente wohl vor der Reformation als Predella eines Altares. Es steht in Farbe und Zeichnung Leonhard Schäufelin aus Nördlingen nahe.
Schließlich finden wir noch ein Bild: Christus und die Apostel. Dieses Werk war ursprünglich die Predella des Hochaltars. Es hängt jetzt an der Südwand des Langhauses.
An kleineren Werken wäre noch zu erwähnen: Ein Almosentäfelchen, um 1600 entstanden, und zwei Reliefs, St. Jodokus und St. Ottilia, beide spätgotisch um 1500, sowie ein spätgotischer Opferstock mit gewundener Säule und polygonem Kopfstück, alles an der Südsäule, die Chor und Langhaus trennt.
Sicher wäre von dieser einmaligen Kirche noch viel zu sagen und ausführlicher darzustellen. Eines aber steht fest: Sie führt in ihrer reichen Ausstattung den Besucher zu andächtigem und ehrfurchtsvollem Staunen.
Kirchenführung durch die Kalbensteinberger Rieterkirche: ev. Pfarramt, Tel. 09837/233
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